#1 Frauen im IT-Studium

Interview mit Mina Todorova

Meine erste Frage an sie war ganz platt: Wer ist Mina?

» Mina ist eine Person mit mehreren Facetten. Ich komme ursprünglich aus Bulgarien. Ich habe bis zu meinem 18. Lebensjahr am Schwarzen Meer gelebt und an einem Goethe-Gymnasium Deutsch als Fremdsprache gelernt. Dann kam der Punkt: Was will ich eigentlich mit meinem Leben machen? Ich entschied mich für ein Informatikstudium, da dies meinen Neigungen entsprach. Dann überlegte ich mir, welche Uni in Europa für mich infrage kommt. Hier hatte ich verschiedene Unis u. a. in Deutschland im Blick und entschied mich für die TU Dresden, da diese in Bezug auf Wissensvermittlung und Lebenserhaltungskosten für mich die besten Voraussetzungen abbildete.

Es kamen für mich lange und schwere Jahre, in denen ich mich persönlich stark weiterentwickelt habe. Auch unter den Einwirkungen der deutschen Kultur. Dafür bin ich unendlich dankbar. Dresden ist eine wunderschöne Region. Ich hatte z. B. während des Studiums ein Start-up im Bereich der IT-Security mitbegründet, für welches wir auch eine Förderung vom Staat erhielten. Jedoch gab es zu viele unterschiedliche mittel- bis langfristige Visionen im Team, sodass unser Start-up nicht von Bestand war. Aber irgendwo muss man ja anfangen. Ich finde, die Start-up-Community ist hier sehr gut ausgebaut und man kann sich gut entwickeln. Dies war am Ende für mich eine sehr positive Erfahrung.

Ich bin eine sehr emotionale Person und auch jemand, der sich viele Gedanken über die Zukunft macht und der auch in die Zukunft blickt und sich an Tendenzen anpasst. Nur wenn ich mich daranhalte, was zukünftig ansteht, kann ich mich weiterentwickeln. «

Wann kam für dich der Punkt, dass du dir Gedanken zum Thema Frauen und IT gemacht hast?

»Die ersten Impressionen hatte ich schon am ersten Tag vom Studium. Am Anfang gab es auch einige Mädels, aber viele sind relativ schnell im Laufe des ersten Jahres wieder verschwunden. Mir fehlte der Umgang mit Frauen im eigenen Studiengang. Den fehlenden Austausch habe ich mit anderen Studiengängen wieder ausgeglichen. Aber mich hat das auch dazu angespornt, mein Studium durchzuziehen. Mich hat angespornt zu zeigen, dass ich als Frau mit Migrationshintergrund das Studium der Informatik schaffe und meinen Traum verwirkliche. Ich fand während des Studiums die Interessen der Frauen nicht stark vertreten.«

Was sind für dich Gründe, warum Frauen das Studium abbrechen oder auch im späteren Beruf die Fachrichtung wechseln und sich von der Informatik abwenden?

»Der Informatikberuf ist ein recht anspruchsvoller. Natürlich auch abhängig von dem Sektor, in welchem man sich befindet. Es gehört mit dazu, sich ständig beruflich weiterzuentwickeln, neues Wissen anzueignen, neue Tools auszuprobieren; man kämpft, bis man sich das Thema angeeignet hat. Meine Hypothese ist, dass hier auch der Mutterwunsch hereinspielt, dass man sich umentscheidet, um mehr Zeit mit der Familie zu haben. Gibt auch viele andere Gründe. Es ist eben ein sehr stressiger Beruf. «

Was waren für dich Gründe für Abbrüche bei Frauen während des Studiums?

»Meiner Meinung nach kann man das darauf zurückführen, dass man es als Frau schwer hat, sich in dieser Umgebung einzufinden, sich nicht gut mit den anderen Kommilitonen connectet. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass ich schwer Anknüpfungspunkte mit den meisten männlichen Kommilitonen gefunden habe. Ich spiele weder intensiv Computerspiele, noch bin ich ein absoluter Fachexperte in bestimmten Themen. Die Interessen sind anders, die Bereitschaft jemanden offen anzunehmen ist relativ niedrig und das kann sich so schnell nicht ändern.

Es müsste hier eine Top-Down-Änderung geben. Das heißt, die Übungskräfte und Professoren müssen diesen Wandel vorantreiben. Es braucht meiner Meinung nach eine Kulturänderung an dieser Fakultät. Diese startet im Mindset der Professoren und Übungsleiter. Die Professoren haben so viele Themen (Forschung, Konferenzen), mit denen sie sich beschäftigen, dass dies hinten herunterfällt. Hier sehe ich die Übungsleiter im Vordergrund, die diesen Wandel vorantreiben können, da diese näher an den Studierenden sind. Es würde zum Beispiel helfen, wenn der Kontakt noch verstärkt würde, um es persönlicher zu machen und die Bedürfnisse besser zu kennen und eine stärkere Bindung zu erzeugen. «

Was könnten diese konkret machen, damit sich weibliche Studierende wohler fühlen?

»Mehr Lob vor anderen wäre für mich wichtig, um auch anderen zu signalisieren, dass hier Wertschätzung stattfindet und um Interesse zu wecken – siehe social inclusion. Man könnte auch offizielle Interessengruppen bilden, die mehr die Interessen der Frauen vertreten – z. B. im Bereich Mode. Aber über so etwas spricht man gar nicht im Studium. Ich denke, man hat Angst davor, solche Neigungen auch auszuleben, man will nicht komisch ankommen. Man will nicht ausgegrenzt werden. «

Kennst du im universitären Umfeld oder im IT-Umfeld Frauen, die als Vorbilder gelten und die anderen helfen sich weiterzuentwickeln?

»Leider habe ich so eine Frau an der Uni nicht kennengelernt. Aber das bedeutet nicht, dass sie nicht existieren.«

Wie empfindest du die Arbeit bei ITARICON unter diesen Vorzeichen?

»ITARICON macht einen guten Job, wenn es um die Gleichstellung von Frauen geht. Als ich hier Werkstudentin war, hatte ich sogar eine Principal als Mentorin. Es gibt hier einige Frauen, die in unterschiedlichsten Positionen tätig sind. Dazu trägt sicherlich auch die flache Hierarchie bei. Man hat immer einen offenen Austausch.«

Was würdest du ITARICON mitgeben, damit wir noch attraktiver als Arbeitgeber werden?

»Eine Idee wäre zum Beispiel, einen stärkeren Austausch zwischen den Frauen zu organisieren und sich monatlich zum Cocktail-Abend zu treffen. Aber ich möchte natürlich auch nicht, dass sich hier die Männer ausgeschlossen fühlen. ITARICON ist erst einmal auf einem sehr guten Weg. Im Vergleich zu anderen Unternehmen, die ich kenne, schneidet ITARICON sehr gut ab. Ich habe ein sehr breites Netzwerk und deshalb konnte ich auch das ein oder andere schon mitnehmen; auch aus Großkonzernen, auch aus der Dresdner Region.«

Was willst du anderen mitgeben?

»Ich habe in den letzten Jahren gelernt, dass ich keine Angst haben sollte meine Meinung offen auszusprechen. Das blockiert die Entwicklung und das ist meiner Meinung nach das Schlimmste, was geschehen kann. Man sollte sich immer einbringen. Auch Fehler passieren. Sie sind Teil der persönlichen Entwicklung. Man muss diese akzeptieren. Das werde ich weitertragen und ich werde auch immer Frauen unterstützen, ihre Ängste zu überwinden.«

Vielen Dank für das Interview, Mina!

WEITERFÜHRENDE LINKS

Verwandte Beiträge